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„Der Einfluss von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz auf die Allgemein- und Familienmedizin“

Ein Bericht von der Equip-Tagung in den Räumlichkeiten der JKU in Linz – 8.5.-11.5.2025,

Hausärzt:innen sind selten IT-oder AI-Spezialisten, sie haben im Verhältnis zu manch anderem Beruf wenig Wissen und einen Gutteil an selbst-generierter Erfahrung im Bereich AI und Digitalisierung – dennoch nimmt die Digitalisierung im Gesundheitssystem zu und ist für den hausärztlichen Alltag von Interesse und für  „Digital Natives“  zunehmende Selbstverständlichkeit. Prinzipiell steht in der hausärztlichen Tätigkeit jedoch nicht die Digitalisierung, sondern die Patientenorientierung im Fokus der Aufmerksamkeit. Als (eigentlich ebenso zum Großteil selbst erlernte und dann fortgebildete) Routiniers der zwischenmenschlichen Kommunikation in jeder Lebenssituation und Lebenslage nehmen Hausärzt:innen jedoch auch die Änderungen in der Kommunikationskultur wahr, sehen die Herausforderungen der zunehmenden gesellschaftlichen Digitalisierung und Nutzung von AI. Auch wenn Digitalisierung im Kernverständnis „nur“ die Umwandlung analoger in digitale Daten bedeutet, so bedeutet AI nunmehr die digitalisierte mathematische/technische Interpretation und Simulation von menschlichen Denkprozesse in Kombination mit bereits digitalisiertem Wissen – im modernen Konflikt die menschliche Intelligenz ergänzend oder ersetzend, zum Teil intransparent, mit Bias und ohne ethische Konnotation.  So zumindest die Antwort von ChatGPT auf die Frage: „Was bedeutet Artificial Intelligence aus Sicht einer KI“ und „Wo liegen die Gefahren“.

Dem gegenüber steht die Tatsache, dass sich – wahrscheinlich auch noch einige Zeit lang – intermenschliche und nonverbale Kommunikation, Vertrauen und Beziehungseinflüsse, vor allem aber die menschliche Interpretation von nonverbalen Botschaften – „das Lesen zwischen den Zeilen“ also – nicht so einfach digitalisieren und lediglich mathematisch annähern lässt. In der Equip-Keynote von Dr. Ulrik Bak Kirk in einen entsprechenden Rahmen gebracht: „Wir müssen Aussagen einer AI weiterhin als digitalen Output sehen, den wir dann in den menschlichen Kontext bringen – WIR machen den Output zu einer menschlichen, ethisch korrekten und die Patientensicherheit berücksichtigenden Entscheidung. Software basierte AI muss im Interesse ihrer Erfinder immer auch 100% Sicherheit liefern und kann so zu Überdiagnostik und auch damit zur Fragen der Patientensicherheit führen. AI sollte jedoch nicht abgelehnt werden – wir müssen nur darauf bestehen, dass sie die Grundprinzipien und Grundwerte der Allgemein- und Familienmedizin unterstützt: Gleichheit, Personenzentriertheit, Kontinuität und Vertrauen. Wir müssen unsere Perspektive dahin ändern uns nicht zu Fragen, was AI tun kann, sondern was sie tun sollte, damit sie uns und unsere Patient:innen unterstützt.“

Menschliche Interaktion und somit die kontinuierliche, kontextuelle hausärztliche Begleitung bleiben also Bestandteil der Gesellschaft – Digitalisierung und AI in der Allgemein- und Familienmedizin sollte somit nicht Barrieren generieren (Zugangsungerechtigkeit aufgrund von Kosten/Technologien/körperlichen wie geistigen Beschränkungen) sondern Gleichheit ermöglichen, sie sollte durch ihre Unterstützung Zeitersparnis bringen (und nicht noch mehr Zeitbedarf erzeugen), Prozesse beschleunigen und somit die wertvolle Ressource Zeit auch im Gesundheitssystem vermehren und nicht vermindern. Denn letzten Endes bedeutet es: ZEIT für unsere Patient: innen zu haben bedeutet automatisch auch eine Steigerung der Betreuungsqualität (und damit auch eine nachhaltige Ressourcenschonung bzw. Kosteneffizienz). Genau mit diesen Fragen/Herausforderungen und Gedanken beschäftigte sich die 66. EQUIP-Tagung 2025 in Linz.

Doch was ist die „EQUIP“? Sie ist die Europäische Akademie für Qualität und Sicherheit in der Allgemein- und Familienmedizin – gegründet 1991 und relevanter Teil des WONCA Netzwerkes. Ziel der Equip seit jeher ist es, Qualitätsstandards und Qualitätsindikatoren für die Allgemein- und Familienmedizin zu finden bzw. zu entwickeln und die Patientensicherheit in diesem Feld zu verbessern. Somit sind auch die Digitalisierung und die damit verbundenen Vor- und Nachteile Interessensgebiet dieser Gruppierung – bei der 66. Tagung nunmehr auch Thema in Linz unter dem Titel „Der Einfluss von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz auf die Allgemein- und Familienmedizin“ – organisiert durch Prof. Dr. Erika Zelko, Institut für Allgemeinmedizin der JKU Linz. Wie oftmals bei WONCA-Netzwerktreffen üblich, bemühten sich die Gastgebenden auch, das regionale/nationale Gesundheitssystem des Gastgeberlandes den internationalen Teilnehmenden näher zu bringen und den nationalen Kontext für die Veranstaltung darzustellen – diesmal auch im Rahmen von Besichtigungen hausärztlicher Primärversorgungseinheiten/Praxen. Bis zum Ende des Kongresses wurde es dann den Teilnehmenden ermöglicht, sich sowohl mit der Thematik „Digitalisierung und AI“ im Kontext zu ihrer beruflichen Tätigkeit auseinander zu setzen, aber auch über Erleichterungen und Herausforderungen der Digitalisierung zu reflektieren, Einblicke in internationale Projekte zu diesem Thema zu bekommen, mehr über Forschungsarbeiten, Projekte und Initiativen der Qualitätssicherung und Patientensicherheit in Österreich und international zu erfahren. Gesamt bot der Kongress eine bunte, aber interessante Mischung an internationalen Beiträgen und führte über zahlreiche Workshops, World Café und Diskussionen zu einem interessanten Austausch unter den Teilnehmenden mit dem erreichten Ziel, das Bewusstsein für diese Thematik in der Allgemein- und Familienmedizin zu verbessern. Zum weiteren Kongressbericht der Organisatoren für den ÖGAM-Newsletter geht es hier.

Im Rahmen des Kongresses veröffentlichte die Equip auch ihr Statement zum Thema Digitalization and AI in General Pracitce and Family Medicine:

Autorin: Maria Wendler