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„Gehen Sie schwimmen“ – Immer ein guter Tipp?

Schwimmen wird allgemein von Patienten und Ärzten als wertvolle und angenehme Sportart gesehen, um sich zu bewegen. Die Gelenke werden geschont, man schwitzt nicht, und auch Übergewichtige können sich im Wasser genauso gut bewegen wie Schlanke.

Wenn man jedoch Schwimmen ärztlicherseits als Training verordnet, um z.B. das Herz-Kreislauf-Risiko zu minimieren, dann sollte man bedenken, dass Patienten unter „Schwimmen“ oft „Baden“ verstehen, was zu keiner merklichen Leistungssteigerung führt. Andererseits stellt zügiges Längenschwimmen ein Kraftausdauertraining dar, das Untrainierte überfordern kann.

Ungewohnte physikalische Kräfte bedenken

Beim Eintauchen eines Körpers in Wasser wirken nämlich physikalische Kräfte, die vielen nicht bewusst sind: Zusätzlich zum gewohnten Luftdruck kommt der hydrostatische Druck (= Druck, der auf den Körper im Wasser von allen Seiten wirkt) und der Auftrieb sowie zumeist tiefere Wassertemperaturen als der Körper sonst in der Umgebung gewohnt ist.

Dies führt schon allein beim Hineingehen in ein Schwimmbecken zu einer Umverteilung des venösen Blutes aus den Beinvenen Richtung Herz, d.h. zu einer Erhöhung der Vorlast. Je weiter der Schwimmer ins Wasser bis zum völligen Eintauchen des Körpers (außer dem Kopf) hineingeht, desto mehr kommt es zur Verlagerung des Blutvolumens (sog. „blood pooling“) in die Körpermitte. Die horizontale Schwimmlage und der Auftrieb im Wasser verstärken dieses Phänomen noch zusätzlich.

Die Wassertemperatur spielt ebenfalls eine große Rolle bei der Vasokonstriktion der peripheren Gefäße. Je niedriger sie ist, desto enger stellen sich die Gefäße und desto höher steigt der Blutdruck, was zu einer beträchtlichen „Nachlasterhöhung“ und somit zu einer Steigerung der Herzarbeit führt, der ein krankes Herz womöglich nicht gewachsen ist.

Wir haben daher beim Schwimmen mit einer erhöhten Vorlast und Nachlast des Herzens zu rechnen, zusätzlich zur vermehrten Anstrengung durch das Schwimmen selbst.

Gesunde Erwachsene werden diese Belastungen gut wegstecken, aber bei Hochdruck- und Koronar-Patienten muss man sich ärztlicherseits im Klaren sein, dass die Aufforderung „Gehen Sie schwimmen“ auch ein nicht zu unterschätzendes Risiko darstellen kann.

Es gibt Fallbeschreibungen von akutem Lungenödem bei Schwimmern, die sonst nie Zeichen der Herzinsuffizienz zeigten. Umso mehr sollten Patienten mit Herzinsuffizienz (NYHA II–III) über ihr Risiko beim Eintauchen in Wasser aufgeklärt werden.

Kaltes Wasser kann bei KHK-Patienten auch Angina-Pectoris-Anfälle auslösen, daher sollte man diesen wärmeres Wasser empfehlen (25–30 Grad) und sie nie unbeaufsichtigt schwimmen lassen. Auch Patienten mit (allergischem) Asthma bronchiale sollten nicht alleine schwimmen gehen, um bei einem Asthmaanfall Hilfe zu erhalten. Das Gleiche gilt natürlich auch für Patienten mit zerebralen Anfallsleiden.

Welchen Patienten kann man „Schwimmen“ empfehlen?

Jedem der kardial gesund ist, der eine normale Lungenfunktion hat (mit und ohne Asthmatherapie), der kein Anfallsleiden hat und keine sonstigen belastenden konsumierenden oder entzündlichen Erkrankungen. Trifft Letzteres zu, dann ist immer von Fall zu Fall individuell zu entscheiden.

Patienten mit chronisch venöser Insuffizienz, sofern keine floriden Ulcera bestehen, profitieren vom Schwimmen.

Für Patienten mit Arthrosen der unteren Extremitäten ist ein Schwimmtraining oder auch Aquajogging wenig belastend für die Gelenke und oft die einzige Möglichkeit, die Ausdauer oder Kraftausdauer zu verbessern. Der Auftrieb im Wasser ermöglicht auch Muskelkräftigung und Verbesserung des Bewegungsspielraumes z.B. durch Wassergymnastik.

Welche zusätzlichen Ratschläge sind nützlich?

Bei einem Zervikalsyndrom sollte Brustschwimmen nur mit Eintauchen des Kopfes ausgeführt werden. Bei Meniskusproblemen ist die Beinbewegung beim Brustschwimmen (Froschtempi) oft belastend und schmerzhaft. Brust- und Rückenkraulen wären die empfohlenen Schwimmstile (bei gesunden Schultergelenken), diese müssen aber technisch gut beherrscht werden.

Als Herz-Kreislauf-Training kann Schwimmen nur gesunden und fitten Menschen empfohlen werden, da eine gute Schwimmtechnik und entsprechende Leistungsfähigkeit Voraussetzungen dafür sind, dass man die Trainingsherzfrequenz auch über längere Zeit durchhalten kann.

Kontraindikationen für Schwimmen (Beispiele, kein Anspruch auf Vollständigkeit):

  • schlecht eingestellter Hochdruck (Cave: hohe „Nachlast“)
  • pulmonale Hypertonie und Rechtsherzinsuffizienz
  • Linksherzinsuffizienz NYHA III und IV
  • Herzrhythmusstörungen (die die Herzleistung herabsetzen oder an sich gefährlich sind, Synkopen oder Kammerflimmern auslösen zu können)
  • instabile Angina Pectoris
  • kaltes Wasser bei KHK, St.p. MI
  • zerebrale Anfallsleiden (außer unter Aufsicht oder Begleitung eines versierten Retters)
  • Discusprolaps in der Akutphase

Fazit

Schwimmen ist eine beliebte und wertvolle Form des Bewegungstrainings. Jedoch ist zu bedenken, dass das Medium, in dem der Körper sich bewegt, einige physikalische Kräfte ausübt (Hydrostatischer Druck, Auftrieb, Temperatur), die eine Beeinflussung der Kreislaufphysiologie darstellen und bei der Beratung von Patienten in die Überlegungen, welche Belastungen man dem Patienten zumuten kann, einfließen müssen.