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Allgemeinmedizinische Lehrpraxis – quo vadis?

Am Ende der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin ist die allgemeinmedizinische Lehrpraxis in der Ausbildungsordnung 2015 nun verpflichtend vorgesehen. Das im Studium und während der Ausbildung im stationären Bereich erworbene Wissen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten, sollen nun mit spezieller Blickrichtung auf die allgemeinmedizinische Praxis vertieft, erweitert, erneuert werden. Ziel ist der Erwerb von Kompetenzen, die für die qualitätvolle Ausübung des Berufes „Arzt für Allgemeinmedizin“ im niedergelassenen Bereich notwendig sind. Die Verordnung ist seit einem Jahr vorhanden, die Wirklichkeit hinkt jedoch noch beängstigend nach.

Die Inhalte, die zur Bewältigung der sachlichen Aspekte der beruflichen Tätigkeit erforderlich sind, wurden im Rasterzeugnis definiert. Empfehlungen zur methodischen Umsetzung bzw. ein Ausbildungskonzept für die Lehrpraxis wurde von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der ÖGAM und der Sektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer erarbeitet und sind abrufbar.

Schwerpunkte des allgemeinmedizinischen Berufsverständnisses wie die Fähigkeit zur Kommunikation, zur Zusammenarbeit, zum Management sowie die Bereitschaft, sich für die Belange der Patienten mit einer ethischen Grundhaltung einzusetzen, wurden dabei besonders berücksichtigt. Die didaktischen Prinzipien des Erwachsenenlernens wurden überlegt. Verantwortungsgefühl gegenüber sich selbst, den Patienten, anderen an der Patientenversorgung beteiligten Berufsgruppen und der Gesellschaft soll vermittelt werden. Diese hohen Ansprüche werden in einer von großer Unsicherheit geprägten Zeit bezüglich der zukünftigen Berufswirklichkeit gestellt.

Das sehr ambitionierte Konzept „Team rund um den Hausarzt“ der Bundeszielsteuerungskommission ist inzwischen zwei Jahre alt. Die Realität und Attraktivität des Hausarztberufes hat sich angesichts der Diskussionen rund um dieses Konzept nicht wesentlich verbessert. Die Rolle der Generalisten wird nach wie vor von verschiedenen ärztlichen und nichtärztlichen Berufsgruppen in Frage gestellt. Die ärztliche unternehmerische Funktion wird in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft kleingeredet, das Schlagwort vom „Ende der Einzelkämpfer“ bei Podiumsdiskussionen wird – ohne es auf seine Berechtigung zu hinterfragen – nach wie vor verwendet, gleichzeitig wird die Kostensteigerung im stationären Bereich, die am Beginn der Reformdiskussion stand, eher selten thematisiert.

In dieser Situation ist es kein Wunder, dass sich nur wenige junge Ärzte, die sich in der Ausbildung nach der neuen Ordnung befinden, für die Allgemeinmedizin entscheiden. Die Unsicherheit bei der Finanzierung der Lehrpraxis spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle, ebenso die finanzielle Benachteiligung während der Ausbildung im stationären Bereich, natürlich aber auch die existenzielle Unsicherheit im eigentlichen Berufsleben. Die Erhöhung der Zahl der Medizinabsolventen wird bei dieser Entscheidung keine Lösung bringen. Quantität ist kein Ersatz für Qualität. Eventuell werden viele den Beruf der Generalisten ergreifen, ohne ihn von Herzen zu wollen, und ihn deshalb nur suboptimal erfüllen.

Wir als Gesellschaft für Allgemeinmedizin glauben, unsere Hausaufgaben gemacht zu haben. Wahrscheinlich ist die Not noch nicht groß genug, dass die Verpflichtung der Politik, insbesondere für die Finanzierung der Lehrpraxis für Allgemeinmedizin, erwacht. Finanzierungsnöte gibt es in allen Bereichen der Gesellschaft, doch ein Gesundheitssystem ohne gute Allgemeinmedizin wird sicher viel teurer als eine dahingehende Investition zur rechten Zeit.