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Stellungnahme der ÖGAM zur laufenden Diskussion über Primary health care

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Wien (OTS) – Als Fachgesellschaft für Allgemeinmedizin sind wir irritiert über die letzten Pressemeldungen und Äußerungen von Patientenanwalt Dr. Bachinger, der der Ärzteschaft Reformunwillen und Einzementierung der Einzelpraxen im niedergelassenen Bereich vorwirft und der Gesundheitsversorgungszentren außerhalb des bestehenden Kassenvertrages forciert.

Die ÖGAM bekennt sich zu neuen Versorgungsformen, auch zu Zentren, wenn sie den regionalen Gegebenheiten entsprechen. Im Sinne einer besseren Patientenversorgung gibt es von unserer Seite ganz klare Vorschläge zur Vernetzung von Einzelpraxen oder der Möglichkeit der Zusammenarbeit mehrerer Ärzte unter einem Dach (Zentrum). Auch bekennen wir uns zu einer strukturierten Zusammenarbeit mit nichtärztlichen Gesundheitsberufen im Sinne einer allumfassenden, ganzheitlichen und modernen Versorgung mit langen Öffnungszeiten.

Wenn Dr. Bachinger meint, die Ärzte halten an alten Einzelleistungssystemen ihrer Honorierung fest und wollen weiter die Einzelpraxen, hat er eine Entwicklung verschlafen, die schon stattfindet. Die Forderung nach neuen Honorierungssystemen, die vor allem die Tätigkeit der Allgemeinmedizin abbildet und auch neue Formen der Zusammenarbeit, kommt ganz klar vor allem aus der Ärzteschaft und wird von uns als Fachgesellschaft massiv forciert. Ein Knackpunkt im angedachten PHC-Gesetz ist die Aufweichung des Gesamtvertrags. Eine Aufweichung des Gesamtvertrages würde zu einer Entsolidarisierung der Ärzteschaft und auf Dauer zu einer Schlechterstellung der Honorierung führen. Eine Gewerkschaft würde auch nicht akzeptieren, wenn man ihnen den Kollektivvertrag streitig macht.

Um effektiv die Spitalsambulanzen zu entlasten braucht es nicht nur eine gute Struktur im niedergelassenen Bereich – das bedeutet auch Schaffung von mehr Kassenstellen (ist nicht gleichzusetzten mit mehr Einzelpraxen) – sondern vor allem eine kluge Steuerung von Patientenströmen in die richtige Versorgungsebene. Das scheint aus ideologischen Gründen in Österreich nicht möglich zu sein, obwohl es in anderen Ländern klaglos funktioniert – vor allem im Sinne einer besseren Patientenversorgung.

Diese Überlegungen sind allerdings alle obsolet, wenn wir es nicht schaffen, genügend Nachwuchs für die Allgemeinmedizin auszubilden. Hier ist die Politik seit vielen Jahren säumig. Aktuell können wir nicht mehr alle Kassenstellen besetzen und die Situation spitzt sich zunehmen zu. Man hat den Eindruck, die Politik schaut zu – beziehungsweise verfolgt andere Ziele. Seit über einem halben Jahr ist die Entscheidung über die Finanzierung der Lehrpraxis, dem wichtigsten Bestandteil der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin, überfällig und noch immer nicht geklärt. Für viele junge Kolleginnen und Kollegen ist dies Grundlage für ihre Entscheidung, bei dieser unsicheren Ausbildung nicht Allgemeinmedizin zu machen. Das Ergebnis ist, dass sich österreichweit bisher nur eine Handvoll Jungmediziner_innen für diese Ausbildung entschieden haben.

Da wird aus unserer Sicht Machtkampf zu Ungunsten einer gesicherten Patientenversorgung und der Versorgungsqualität ausgetragen.

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